Bilanz des Abflussjahres 2020: An der Ruhr wird es immer trockener und wärmer
Montag, 16. November 2020 (06:00 Uhr)
2020 war zusammen mit 2007 das wärmste Abflussjahr seit Beginn der Aufzeichnungen
Jetzt ist das Dutzend voll: Zum zwölften Mal in Folge hat der Ruhrverband im Abflussjahr 2020, das mit
dem so genannten „Wasserwirtschafts-Silvester“ am 31. Oktober 2020 zu Ende gegangen ist, für das
Ruhreinzugsgebiet weniger Niederschlag als im langjährigen Mittel verzeichnet. Insgesamt fielen im
Einzugsgebiet der Ruhr 957 Millimeter Gebietsniederschlag, das sind 92 Millimeter bzw. neun Prozent
weniger als der langjährige Mittelwert.
Eine besondere Rekordmarke setzte dabei die Sechs-Monats-Phase von April bis September, in der
gerade einmal 58 Prozent der in diesem Zeitraum üblichen Regenmenge fielen. Nur ein einziges Mal
seit Beginn der Niederschlagsaufzeichnungen, nämlich im extremen Trockenjahr 1959, war dieser
Zeitraum noch trockener gewesen. Ebenfalls nur ein einziges Mal, nämlich 1989, hatte es zudem in
einem Mai noch weniger geregnet als im Mai 2020, der mit nur 23 Millimetern Niederschlag der
trockenste Monat des Jahres war. Der mit Abstand nasseste Monat des Jahres war der Februar 2020,
der mit 204 Millimetern rund zweieinhalb Mal so viel Niederschlag verzeichnete wie ein
durchschnittlicher Februar.
Es wird jedoch nicht nur immer trockener im Ruhreinzugsgebiet, sondern auch immer wärmer. Mit
1,3 Grad über dem Vergleichswert der Zeitreihe 1981 bis 2010 wies das Abflussjahr 2020 exakt die
gleiche Mitteltemperatur auf wie 2007, das bislang den alleinigen Rekord als wärmstes Abflussjahr seit
Beginn der Temperaturaufzeichnungen gehalten hatte.
Hinzu kommt, dass die Jahre 2014, 2016, 2018 und 2019 alle nur um 0,1 Grad „kühler“ waren als 2020.
Das bedeutet: Die sechs wärmsten Abflussjahre seit Aufzeichnungsbeginn vor fast 140 Jahren hat es in
den letzten 15 Jahren gegeben, drei davon in den letzten dreien! Eindrucksvoll ablesen lässt sich diese
Entwicklung an den so genannten „warming stripes“, die der britische Klimatologe Ed Hawkins
entwickelt hat, um die Entwicklung der globalen Erwärmung zu visualisieren.
Zu Beginn des Abflussjahres 2020, also am 1. November 2019, lag der Gesamtstauinhalt aller
Talsperren im Ruhreinzugsgebiet trotz hoher Beanspruchung im vorangegangenen Sommer bei
65 Prozent vom Vollstau und damit nur noch um gut 7 Prozent unter dem langjährigen Mittel.
Hauptsächlicher Grund dafür waren günstige Niederschlagsverhältnisse und steigende Abflüsse im
Oktober 2019.
Günstige Niederschlagsverhältnisse in den Folgemonaten führten zu einem kontinuierlichen Anstieg, so
dass Anfang Februar wieder ein durchschnittlicher Füllstand erreicht wurde. Die niederschlagsreichen
Folgewochen bis Mitte März sorgten für einen weiteren deutlich Anstieg bis zum höchsten Füllstand des
Abflussjahres 2020, der am 4. April mit 96 Prozent vom Vollstau bzw. 6 Prozent über dem langjährigen
Mittel erreicht wurde. Aufgrund der erneuten großen Trockenheit ab April nahm der Gesamtstauinhalt
bis ins letzte Oktoberdrittel ab und erreichte am 25. Oktober mit 56 Prozent vom Vollstau den
niedrigsten Füllstand im Abflussjahr 2020. Sechs Tage später, am 31. Oktober, waren es dank einiger
Niederschläge zwar rund zwei Millionen Kubikmeter Wasser (bzw. 1 Prozent vom Vollstau) mehr, aber
immer noch knapp 20 Prozent weniger als im langjährigen Mittel und damit ein deutlich größeres Defizit
als die 7 Prozent von vor einem Jahr.
Die Ruhrverbandstalsperren haben im Abflussjahr 2020 jederzeit genug Wasser zur Einhaltung der
Mindestabflüsse an der Ruhr abgegeben. Sie mussten dazu allerdings erneut Schwerstarbeit leisten,
denn nach vorläufigen Berechnungen gab es an einem der beiden gesetzlich relevanten
Kontrollquerschnitt (Ruhrmündung) die mit Abstand höchste und am anderen (Pegel Villigst bei
Schwerte) die zweithöchste Anzahl so genannter zuschusspflichtiger Tage seit Einführung des
Ruhrverbandsgesetzes im Jahr 1990. Gäbe es die Talsperren des Ruhrverbands nicht, wäre die Ruhr in
Villigst von Juli bis September an mehr als der Hälfte aller Tage trockengefallen.
Hochwasserereignisse (gleichbedeutend mit einem Überschreiten der Meldegrenze von 300 Kubikmetern pro Sekunde am Pegel Wetter) gab es im Abflussjahr 2020 tatsächlich auch, und zwar einmal
Ende Februar und ein weiteres Mitte März. Dabei erreichte der Abfluss der Ruhr am Pegel Hattingen
am 24. Februar um 14:35 Uhr mit 458 Kubikmetern pro Sekunde bei einem Wasserstand von
535 Zentimetern seinen höchsten Abfluss im Abflussjahr 2020.
Abflussjahre (auch hydrologische Jahre oder Wasserwirtschaftsjahre genannt) weichen von den
Kalenderjahren ab, damit in der Jahresbilanz auch Niederschläge in Form von Schnee und Eis, die
bereits im Frühwinter fallen, erfasst werden können. Sie werden nämlich erst im folgenden Kalenderjahr
als Schmelzwasser abflusswirksam. In Deutschland legt eine DIN-Norm das Abflussjahr jeweils vom
1. November bis zum 31. Oktober fest, weil die Wasserreserven Ende Oktober erfahrungsgemäß am
geringsten sind.
Die Grafik der „warming stripes“ für das Ruhreinzugsgebiet zeigt die Entwicklung der mittleren
Temperaturen der Abflussjahre von 1882 bis 2020. Je „blauer“ ein Abflussjahr dargestellt ist, desto
niedriger war die Jahresmitteltemperatur, und je „röter“ der Streifen ist, desto wärmer war das Jahr.
Die Dynamik der Klimaerwärmung, insbesondere in den letzten drei Jahrzehnten, ist deutlich erkennbar.
(Datenbasis: Temperaturrasterdaten des DWD, für das Ruhreinzugsgebiet gemittelt)